Die existierenden Farblehren unterscheiden sich durch den physikalischen Schwerpunkt, basierend auf Elektromagnetismus und Optik und den physiologischen und psychologischen Schwerpunkten, basierend auf der chemischen Zusammensetzung der Farbmittel und der daraus folgenden Interpretationen und Erklärungen. Hinsichtlich der unterschiedlichen Interpretationen dieser Wissensgebiete wird von Farblehren gesprochen. Der grundliegende Unterschied liegt in den wahrnehmbaren Farben, die durch Lichtquellen initialisiert werden und in den chemischen Vorgängen, wodurch Farbpigmente als unterschiedliche Farbtöne erkannt werden.
Johann Wolfgang von Goethes Ansatz zur Farbenlehre ist in der sogenannten Harmonielehre beheimatet, die sich mit dem Zusammenspiel von unterschiedlichen Farbtönen befasst. Die Harmonielehre ist geprägt von individuellen Erfahrungen und Assoziationen, die Vertreter dieser Lehre mit diversen Farbtönen verbinden. Die Harmonielehre ist somit ein psychologischer Ansatz der Farbenlehre und unterscheidet sich von den rein physikalischen und physiologischen Ansätzen der Farbenlehre. Die bekanntesten Wissenschaftlicher, die sich mit einem der drei Stränge der Farbenlehre befassten, waren neben Goethe, Leonardo da Vinci, Isaac Newton, Eugene Chevreul , Arthur Schopenhauer, Harald Küppers, Johannes Itten und James Clerk Maxwell.
Die unterschiedlichen Lebensepochen und Erkenntnisstände der Wissenschaft dieser verschiedenen Forscher hatten jeweils einen eingeschränkten oder erweiterten Wissensstand als Grundlage für die Erforschung der Farbenlehre. Die unterschiedlichen Denkansätze sind daher in dem jeweiligen historischen Wissenschaftskontext zu sehen. Goethes Auseinandersetzung mit der Farbenlehre hat heute beispielsweise nur noch Bedeutung in der psychologischen Wirkung von Farben auf den jeweiligen Betrachter. Goethe nannte diese Farben „physiologische Farben“. Goethes Untersuchungen zur psychologischen Wirkung von Farben auf Menschen werden als Beginn der modernen Farbpsychologie angesehen. In Bezug auf den im ersten Abschnitt dieses Kapitels behandelten Aspekt der Wirkung von Farben als Wandanstrich auf den Bewohner, kann Goethes Farbpsychologie noch heute als aktuelles Deutungsmuster in der Wohnraumgestaltung verwendet werden.